Magische Hexen-Kürbissuppe für den Herbst

Kleine Sentimentalitäten und ein Rezept für fruchtig-zimtige Kürbiscremesuppe.

Fast jeder kann in seiner Biografie eine Lehrperson vorweisen, die einem im Rückblick als besonders erscheint – sei es durch Kompetenz, oder weil sie einem das schulische Dasein einfach zur Hölle machte. Koche ich diese Kürbissuppe, dann muss ich unweigerlich an meinen alten Deutschlehrer Herrn B. denken.

Irgendwie hat er meine gesamte gymnasiale  Schulzeit begleitet. Ich weiß noch, wie ich verschüchtert und mit Pferdeschwanz ganz alleine in der Aula stand. Alle anderen Kinder hatten ihre Eltern dabei – nur ich musste ohne gehen. Ich hatte mich allein schon vor dem (wirklich immens kurzen) Schulweg gefürchtet. Zwar hatte ich direkt Anschluss an andere Kinder gefunden, aber es war dennoch was anderes.

Da standen wir nun und davor die Lehrer, die kurz vorgestellt wurden. Darunter dieser kompakte, dicke Mann. Finster blickend, mit Brille und kurzem grauen Bart, breitem Kiefer, ein Bein nachziehend und mit einem furchtbaren knüppelartigen Gehstock. Ich dachte nur: „Lass uns bitte nicht diesen schrecklichen Mann als Klassenlehrer haben!“ – und betete quasi voll daneben. Natürlich bekam ich ihn als Klassenlehrer  – und war später dankbar dafür. Ein gutes Beispiel dafür, wie wenig Wahrhaftigkeit und wie viele Vorurteile der erste optische Eindruck mit sich bringen kann.

Mit seiner bärbeißigen, zuweilen brüllend-ungestümen und dennoch tiefsinnigen und sensiblen Art förderte er in mir die ohnehin schon vorhandene Liebe zur Literatur, indem er uns Paul Celans unglaublich schöne Todesfuge im Wechsel sprechen ließ oder mich dunkelhaariges dickes Mädchen dazu brachte, das blonde Gretchen zu lesen. Unvergessen die Momente, wo er mitten im Deutschunterricht ein Fahrrad auf seinem Pult aufbauen ließ, um die Funktionsweise des Dynamos zu erklären, bei Nasenbluten (und mit der Kulisse sanfter Würgelaute seitens der Schüler) grinsend und mit blitzenden Augen Faust zitierte („Blut ist ein ganz besonderer Saft.“), seinen Stock auf den Tisch donnern ließ, um für Ruhe zu sorgen oder mit seinen schaufelartigen Pranken einen Apfel mit blanken Händen in zwei Hälften zerteilte. Diese Bruchstücke mögen vielleicht seltsam klingen, aber ich habe davor,  danach und währenddessen nie einen besseren, die Freiheit des Geistes mehr aus seinen Schülern herausarbeitenden, Lehrer gehabt als ihn. Später belegte ich bei ihm den  Deutsch Leistungskurs und zehre heute noch von den von ihm vermittelten Grundlagen. Wir waren sein letzter Jahrgang, zeitgleich mit unserem Abitur ging Herr B. – das Unikum und die Urgewalt an diesem Gymnasium – in Rente.

Einige Zeit lang besuchten eine liebe Freundin und ich Herrn B. noch nach der Schulzeit. Bei einem dieser Besuche verkündete er übrigens, dass er – sollte er denn jemals einen Film drehen – mich sofort als Hexe besetzen würde. Ich nahm und nehme das mal einfach gutgläubig als augenzwinkerndes Kompliment. Bei einem späteren Besuch hatte er für uns Kürbissuppe gekocht – mit einem Schuss Orangensaft und Sahne. Mit Kürbis hatte ich zwar inzwischen erste zaghafte Begegnungen gesammelt, aber im Zusammenhang mit Zitrusfrüchten noch nicht. Was für mich heute total normal ist, war mit Anfang 20 (vor dem großen Kürbis-Wiederentdeckungsboom und aufgewachsen bei einer Mutter mit frühkindlichem sauer-eingelegter-widerlicher-Kürbis-Trauma) halt absolutes und skeptisch betrachtetes Neuland.

Und um mein ellenlanges sentimentales Geschreibsel endlich zu einem Kreis zu schließen: Als ich dann Jahre später an meinem heiß geliebten und einzig wahren Kürbissuppenrezept herumperfektionierte, wanderte auch etwas (mehr ;)) Orangensaft in den magischen Kessel und immer, wenn ich ihn hineinrühre, denk ich an meinen alten Deutschlehrer, lächle still in mich hinein, erfreue mich an der simplen Banalität des Umrührens und daran, dass ich ihn kennen durfte.

Rezept für fruchtige Kürbissuppe mit Orangensaft und Zimt

1 kg Hokkaido-Kürbis (geputzt)
500 g Kartoffeln (geschält)
2 TL Madras-Curry
½ – 1 TL Zimt
1 L Orangensaft (100% Fruchtgehalt)
1 L Hühnerbrühe/Gemüsebrühe
Chili, Paprika, Pfeffer, Salz nach Belieben
1 große Zwiebel
neutrales Öl
200 ml Sahne

Zubereitung der Hokkadio-Kürbissuppe

  • Die Zwiebel schälen, grob hacken und mit dem Öl in einem großen Topf anbraten.
  • Den Kürbis waschen, in zwei Hälften teilen und die Innereien mit den Kürbiskernen gründlich entfernen.
  • Den Kürbis grob stückeln, kurz mit den Zwiebeln anrösten und dann mit der Brühe angießen.
  • Die geschälten und kleingewürfelten Kartoffeln hinzugeben. Den Orangensaft, Curry, Zimt, Salz und die restlichen Gewürze ebenfalls hinzufügen, Deckel aufsetzen und auf mittlerer Flamme alles gar kochen.
  • Die Gemüsesuppe mit dem Pürierstab zu einer cremigen und homogenen Konsistenz pürieren. Falls sie zu dick ist eventuell weiteren Orangensaft/Brühe hineingeben.
  • Kurz aufkochen lassen, die Sahne hinzugeben und nochmals mit den  Gewürzen abschmecken.

Kürbissuppenfazit

Ganz ehrlich? Auf keinen Fall kochen – denn einmal angefangen zu löffeln kann man nur schlecht wieder aufhören. Samtig-scharf und mit orienatlisch-zimtigen Anklängen rutscht sie einem cremig-heiß die Kehle runter. Ich liebe meine Kürbissuppe einfach und sie ist – nicht nur als Klassiker auf der Halloweenparty – ein immer wieder sehr gerne gekochtes Rezept.
Ich gestehe – ich bin kochtechnisch manchmal ein faules Stück. Deswegen greife ich lieber zum Hokkaido, der sich beim Zerlegen ja manchmal schon biestig genug benehmen kann. Ich sage nur „Flugkürbis“. Aber er hat eben den großen Vorteil, dass seine Schale zum Verzehr geeignet ist. Natürlich kann man für dieses Suppenrezept auch andere Kürbissorten verwenden, wenn man sich denn die Mühe des Aushöhlens machen will. Wer  besonders begabt ist, kann seine leuchtend-orange Hexen-Kürbissuppe dann ja sogar im ausgewaideten Kürbis servieren.

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13 Comments

  • Was für eine schöne Erinnerung. Danke, dass du uns daran teilhaben lässt. Ich muss gleich mal in mich gehen und gucken ob ich auch eine solche Lehrperson hatte…

    Die Suppe sieht übrigens wirklich köstlich aus!

  • Einen ähnlichen Deutschlehrer hatte ich auch jahrelang, aber leider nicht im Abitursjahr… 🙁
    Außerdem kenne ich dieses süß-saure Kürbistrauma auch, allerdings von meiner Großmutter ausgelöst. Ich habe lange Jahre gebraucht, um es zu überwinden. 🙂 Deine Suppe ist zum Beispiel eine sehr gute Therapie…

    Liebe Grüße, Sus

  • Wunderbare Geschichte! Ich bin auch sehr dankbar, für den ein oder anderen Lehrer, gerade die etwas unkonventionelleren. Und das Suppenrezept wird spätestens nächste Woche nachgekocht, das klingt richtig genial, danke dafür. 🙂

    LG
    Liath

  • Liebe Zorra, Heike, Sus & Liath: Entschuldigt bitte, dass ich euch erst so spät antworte – hier geht es gerade etwas drunter und drüber. Und vielen, vielen lieben Dank für euer Feedback. Das kam genau im richtigen Moment. Nachdem ich genau diesen Artikel online gesetzt hatte, grübelte ich nämlich ein wenig sinnkrisig herum, ob ich überhaupt weiter Storys zu den Rezepten erzählen soll (so sie denn vorhanden sind), oder ob das für die Leser doch eventuell eher störend ist, sich erstmal durch einen Wortwust zu kämpfen, bevor sie beim Rezept ankommen.
    Insofern: Thx. & ihr seid dann in Zukunft schuld, falls ich mich weiteren Schreibschwällen hingebe. 🙂

  • Was für eine schöne Geschichte, ja manchmal treffe auch Ich meinen allerliebten Klassenlehrer noch beim Einkaufen und mein Alptraum Physik/Chemielehrer wohnt direkt eine St. unter mir, er ist immer noch gekleidet wie damals, an dem hat sich nichts verändert auch seine Launen nicht.
    An Kürbis hatte Ich als Kind auch eine schlechte Erinnerung … süßsauer eingel. Kürbis, meine Oma hat ihn uns ewig hingestellt u. Ich hab ihn gehasst.
    Heute mag Ich ihn dafür umsomehr nur nicht eingelegt 😉

    Liebe Grüße Kerstin

  • …liebe Shermin,

    ich habe mit Verzückung deinen Schulbericht um die wunderbare Suppe herum gelesen, die ich auf der Suche nach einem Rezept für einen Backofenkürbis gefunden habe. Begeisterung pur!

    Alles Gute Dir … und Deiner wunderbaren Welt zwischen Kochtopf und lebensfrohen Erinnerungen!

    Gabriele

  • @gabriele – Danke für deinen Kommentar & die lieben Worte. Habe dadurch den Text gerade mit zwei Jahren Abstand selbst nochmal neu gelesen und starte nun etwas besser gelaunt weiter in meinen Tag. 🙂
    Hoffe du hast das Rezept für den im ganzen (mit Suppe gefüllten) gebackenen Ofenkürbis gefunden? Falls nicht: Ofenkürbis à la Bocuse

  • Liebe Shermin,

    wie schön, dass ich Deinen Tag unverhofft aufhellen konnte. Ich bin absolut begeistert von den Rezepten die ich hier finde! Was meinen Tag aber gemacht hat, das war dein kleines literatrisches Meisterwerk, begonnen mit der trostlosen Situation, mutterseelen allein in der Schule zu stehen mit angstvollem Herzen.
    Lehrer, wenn sie so sind wie deiner hier, dann sind sie eines der seltensten Geschenke des Himmels! So wie gute Eltern! Alles Zufall – alles Glück!
    Lehrer und Eltern kann man sich nicht aussuchen.
    Doch ich denke, du wärst auch eine großartige Zauberin in der Küche geworden (was du sonst noch zaubern kannst, das weiß ich nicht!) und Geschichten erzählen, die könntest du auch … nur diese hier, die wäre eben mit traurigem Unterton gewesen!
    Alles Liebe Dir

    Gabriele

  • sollte natürlich literatisches Meisterwerk heißen…. aber literatrisch ist schon auch eine feine Wortschöpfung!

  • Hallo … nach so vielen Jahren finde ich noch einen schrecklichen Fehler:
    Es soll nat.
    L I T E R A R I S C H
    heißen und weder literatrich noch literarisch … huch!
    Ich hoffe es geht dir gut, liebe Shermin …
    Alles Liebe
    Gabriele

  • @Gabriele – 🙂 Ja, alles gut hier – einigermaßen. Corona mit Kleinkind und Homeoffice halt. (Also mit einem Fuß im Burnout)

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